Massiver ultraorthodoxer Protest gegen Wehrpflicht in Jerusalem

Etwa 200.000 ultraorthodoxe Juden protestierten in Jerusalem gegen die Wehrpflicht, eine der größten Demonstrationen in Israels Geschichte. Der Protest folgt auf Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, die militärische Befreiungen beendeten.

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Historischer Protest gegen Wehrpflicht

Jerusalem erlebte eine der größten Demonstrationen in der jüngeren israelischen Geschichte, als etwa 200.000 ultraorthodoxe jüdische Männer zusammenkamen, um gegen die Wehrpflicht zu protestieren. Der massive Protest, der den Spitznamen 'Marsch der Million' erhielt, legte West-Jerusalem lahm, als Demonstranten in traditioneller schwarzer Kleidung wichtige Straßen blockierten und mit Polizeieinheiten zusammenstießen.

Dramatischer Vorfall überschattet Demonstration

Der Protest nahm eine tragische Wendung, als ein 15-jähriger Junge vom zwanzigsten Stock eines unvollendeten Hochhauses in der Nähe des Demonstrationsortes fiel und starb. Laut dem israelischen Sender Kan gehörte der Teenager zu ultraorthodoxen Jugendlichen, die auf Baukränen und Dächer geklettert waren, um an dem Protest teilzunehmen. Die Polizei untersucht die Umstände des tödlichen Sturzes.

Hintergrund der Wehrpflichtkontroverse

Der Protest stellt den Höhepunkt jahrzehntelanger Spannungen über Wehrdienstbefreiungen für ultraorthodoxe Juden, bekannt als Haredim, dar. Seit der Gründung Israels im Jahr 1948 sind Vollzeit-Religionsstudenten von der Wehrpflicht befreit, um sich auf den Wiederaufbau religiöser Einrichtungen zu konzentrieren, die während des Zweiten Weltkriegs zerstört wurden. Diese Politik steht jedoch zunehmend unter rechtlichem und politischem Druck.

Im vergangenen Jahr urteilte der Oberste Gerichtshof Israels einstimmig, dass das selektive Wehrpflichtsystem diskriminierend war und gegen Gleichheitsgesetze verstieß. 'Das aktuelle System schafft eine unfaire Last für säkulare Israelis, während ein erheblicher Teil der Bevölkerung den nationalen Dienst vermeiden kann,' erklärte Rechtsexperte David Rosenberg vom Israel Democracy Institute.

Politische Implikationen für Netanyahus Regierung

Die Wehrpflichtfrage hat eine große politische Krise für die Koalitionsregierung von Premierminister Benjamin Netanyahu ausgelöst. Im Juli 2025 verließ die ultraorthodoxe Partei Vereinigtes Thora-Judentum die Koalition aus Unzufriedenheit mit dem Wehrpflichtgesetz der Regierung, kurz gefolgt von der Shas-Partei. Dies reduzierte Netanyahus parlamentarische Mehrheit auf nur noch 60 von 120 Sitzen.

'Dieser Protest zeigt die tiefe Spaltung innerhalb der israelischen Gesellschaft und die politischen Herausforderungen, denen die Regierung gegenübersteht,' sagte Politikanalystin Tamar Hermann vom Israel Democracy Institute. 'Netanyahu muss die Forderungen seiner verbleibenden Koalitionspartner mit dem wachsenden öffentlichen Druck für gleiche Lastenverteilung in Einklang bringen.'

Jüngste Maßnahmen und Gemeinschaftsreaktion

Der Protest folgt auf eine kürzliche Regierungsaktion gegen Wehrdienstverweigerer aus der ultraorthodoxen Gemeinschaft. Laut israelischen Medienberichten wurden in den letzten Monaten mindestens 870 ultraorthodoxe Männer festgenommen, weil sie den Wehrdienst trotz Einberufungsbescheiden verweigerten. Im letzten Monat hat die Armee die ersten 1.000 Einberufungsbescheide an Mitglieder der ultraorthodoxen Gemeinschaft ausgegeben.

Der Krieg in Gaza hat die Kontroverse verschärft, wobei viele säkulare Israelis behaupten, dass die ultraorthodoxe Gemeinschaft die militärische Last während des Konflikts nicht geteilt habe. Einige ultraorthodoxe Männer haben sich jedoch freiwillig zum Dienst gemeldet. 'Selbst innerhalb unserer Gemeinschaft gibt es unterschiedliche Ansichten über den Militärdienst,' räumte Gemeinschaftsvertreter Moshe Friedman ein. 'Einige sehen es als ihre patriotische Pflicht, während andere befürchten, dass es unseren traditionellen Lebensstil bedroht.'

Sicherheitsmaßnahmen und frühere Gewalt

Die Behörden setzten mehrere tausend Polizeibeamte ein, um eine Wiederholung der gewalttätigen Proteste vom letzten Sommer zu verhindern, als Demonstranten Polizisten und Politiker angriffen. Während des aktuellen Protests zeigten Fernsehbilder von Kanal 12, wie Demonstranten Plastikflaschen auf Journalisten warfen, und die Polizei schloss einen Bahnhof vorsorglich.

Die ultraorthodoxe Gemeinschaft, die etwa 15% der israelischen Bevölkerung ausmacht, sieht den Militärdienst als Bedrohung für ihre Identität und religiöse Lebensweise. Sie fürchten, dass der Dienst neben säkularen Soldaten, einschließlich Frauen, ihre strengen religiösen Praktiken und den Gemeinschaftszusammenhalt untergraben könnte.

Das Netzah Yehuda-Bataillon, das speziell für religiöse Soldaten gegründet wurde, existiert seit Jahren und sah etwa 2.000 ultraorthodoxe Freiwillige, die sich nach den Hamas-Angriffen vom Oktober 2023 als Reservisten meldeten. Die Gemeinschaft bleibt jedoch tief gespalten über die verpflichtende Wehrpflicht, wobei der aktuelle Protest den bedeutendsten Ausdruck des Widerstands bisher darstellt.

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