EU-Abtreibungsgesetze reichen von Verfassungsschutz in Frankreich und Spanien bis zu fast totalen Verboten in Malta und Polen. Die 'My Voice My Choice'-Kampagne sammelte über 500.000 Unterschriften für EU-Abtreibungszugangsfonds.
Europas gespaltene Landschaft bei reproduktiven Rechten
Die Abtreibungsgesetzgebung in der Europäischen Union zeigt einen scharfen Kontrast zwischen einigen der liberalsten Rahmenwerke der Welt und einigen der restriktivsten. Laut dem Center for Reproductive Rights leben nur 34 Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter in Ländern, in denen Abtreibung für sie verfügbar ist, wobei illegale Abtreibungen weltweit etwa 39.000 Todesfälle pro Jahr verursachen.
Verfassungsschutz: Frankreich und Spanien führen voran
Frankreich schrieb im März 2024 Geschichte, indem es als erstes Land der Welt Abtreibungsrechte explizit in der Verfassung schützte. Präsident Emmanuel Macron erklärte: 'Deshalb wünsche ich, dass diese garantierte Freiheit, eine Abtreibung vorzunehmen, in die Charta der Grundrechte der Europäischen Union aufgenommen wird.' Frankreich erlaubt Abtreibung auf Wunsch bis zu 14 Wochen und kann von Hausärzten und Hebammen durchgeführt werden.
Spanien folgte im Oktober 2025, wobei Ministerpräsident Pedro Sánchez ankündigte, Abtreibungsrechte in der Verfassung zu verankern. Sánchez sagte: 'Mit dieser Regierung wird es keinen Rückschritt bei sozialen Rechten geben.' Dieser Schritt folgte, nachdem der Madrider Stadtrat, unterstützt von der konservativen Volkspartei und der rechtsextremen Vox, unbelegte Informationen über 'Post-Abortion-Syndrom' förderte. Spanien erlaubt derzeit Abtreibung auf Wunsch bis zu 14 Wochen und bis zu 22 Wochen aus Gesundheitsgründen.
Freier Zugang in Nordeuropa
Die Niederlande halten eines der liberalsten Abtreibungsregime Europas aufrecht, wobei Schwangerschaftsabbruch auf Wunsch bis zu 22-24 Wochen mit minimalen Verfahrenshürden erlaubt ist. Dies macht das Land zu einem Ziel für grenzüberschreitende Abtreibungsversorgung. Schweden erlaubt Abtreibung bis zu 18 Wochen ohne obligatorische Wartezeiten, während Dänemark Schwangerschaftsabbruch bis zu 18 Wochen und Finnland bis zu 12 Wochen erlaubt.
Gemischter Zugang mit Verfahrenshürden
Deutschland präsentiert ein komplexes Bild, in dem Abtreibung technisch gesehen eine Straftat bleibt, aber nicht strafbar ist, wenn sie innerhalb der ersten 12 Wochen nach obligatorischer Beratung und einer dreitägigen Wartezeit durchgeführt wird. Der Zugang variiert erheblich je nach Region, wobei südliche katholische Bundesländer die größten Barrieren darstellen.
Irland, einst eine Hochburg des katholischen Konservatismus, legalisierte Abtreibung 2018 nach einem überwältigenden Referendum. Aber viele Länder haben praktische Barrieren trotz rechtlicher Rahmenbedingungen. Die italienische Bioethikerin Chiara Lalli von der Luca Coscioni Vereinigung betonte: 'Das Problem hat eindeutig eine moralische Dimension, aber freiwilliger Schwangerschaftsabbruch ist in erster Linie ein medizinischer Dienst.'
Gewissensvorbehalte und Zugangsprobleme
Kroatien und Italien kämpfen mit erheblichen Zugangsproblemen aufgrund hoher Raten von Ärzten mit Gewissensvorbehalten. In Italien weigern sich 63-80% der Ärzte, Abtreibungen durchzuführen, was erhebliche Barrieren schafft, obwohl Abtreibung gesetzlich bis zu 12 Wochen verfügbar ist. Ähnliche Herausforderungen bestehen in Bosnien und Herzegowina, wo medikamentöse Abtreibung nicht für diesen Zweck registriert ist.
Restriktivste Regime: Malta und Polen
Malta hält die strengsten Abtreibungsgesetze Europas aufrecht, wobei alle Schwangerschaftsabbrüche kriminalisiert werden, außer wenn das Leben der Mutter in unmittelbarer Gefahr ist. Laut dem Europäischen Abtreibungspolitik-Atlas 2025 erzielt Malta nur 3,7% in Abtreibungszugangs-Ranglisten.
Die Situation in Polen bleibt besonders umstritten. Trotz des Wahlversprechens von Ministerpräsident Donald Tusk, sichere Abtreibung innerhalb von 100 Tagen zugänglich zu machen, bleibt das fast totale Verbot bestehen. Abtreibung ist nur in Fällen von Vergewaltigung, Inzest oder Risiko für die Gesundheit der schwangeren Person erlaubt. Aktivistin Anna Sikora äußerte Frustration und bemerkte, dass parlamentarische Unterstützung für Reformen unerreichbar bleibt.
Europäische Bürgerinitiative gewinnt an Stärke
Die 'My Voice My Choice'-Kampagne hat in nur 45 Tagen mehr als 500.000 Unterschriften gesammelt und ist damit die am schnellsten wachsende Europäische Bürgerinitiative in der Geschichte. Die Kampagne zielt darauf ab, einen EU-Fonds einzurichten, der sicherstellt, dass alle Frauen Zugang zu Abtreibungsdiensten haben, was möglicherweise mehr als 20 Millionen Frauen hilft, die derzeit keinen Zugang haben.
Das Europäische Parllement setzt sich weiterhin für die Aufnahme von Abtreibungsrechten in die EU-Grundrechtecharta ein, obwohl dies einstimmige Zustimmung der Mitgliedstaaten erfordert. Während die Debatte andauert, bleibt Europa gespalten zwischen progressivem Verfassungsschutz und restriktiver Kriminalisierung, was breitere gesellschaftliche Werte auf dem Kontinent widerspiegelt.
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