Europas gespaltene Landschaft bei reproduktiven Rechten

Europas Abtreibungsgesetze reichen von Verfassungsschutz in Frankreich und Spanien bis zu fast vollständigen Verboten in Malta und Polen. Eine historische Bürgerinitiative sammelte 1,1 Millionen Unterschriften für EU-Unterstützung für sichere Abtreibung.

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Europas gespaltene Landschaft bei reproduktiven Rechten

Die Abtreibungsgesetzgebung in der Europäischen Union zeigt einen scharfen Kontrast zwischen einigen der weltweit progressivsten Rahmenwerke und einigen der restriktivsten. Laut dem Center for Reproductive Rights leben nur 34% der Frauen im gebärfähigen Alter weltweit in Ländern, in denen Abtreibung verfügbar ist, wobei illegale Abtreibungen jährlich etwa 39.000 Todesfälle verursachen.

Verfassungsschutz: Frankreich und Spanien führen voran

Frankreich schrieb im März 2024 Geschichte, indem es als erstes Land der Welt Abtreibungsrechte explizit in der Verfassung garantierte. Präsident Emmanuel Macron erklärte: 'Dies ist französischer Stolz, der eine universelle Botschaft vermittelt. In Europa ist nichts mehr selbstverständlich und alles muss verteidigt werden.' Die Verfassungsänderung erhielt überwältigende parlamentarische Unterstützung (780-72) und genießt etwa 85% öffentliche Zustimmung.

Spanien folgte im Oktober 2025, wobei die Regierung eine Verfassungsreform zum Schutz von Abtreibungsrechten vorschlug. Wie ein Regierungsbeamter erklärte: 'Wir müssen Frauen vor der reaktionären Welle schützen und sicherstellen, dass reproduktive Rechte keine Privilegien, sondern grundlegende öffentliche Güter sind.' Die Initiative steht jedoch vor politischen Hindernissen, da eine Dreifünftelmehrheit in beiden Parlamentskammern erforderlich ist.

Länder mit freiem Zugang: Nordeuropäische Modelle

Die Niederlande halten eines der liberalsten Abtreibungsregime Europas aufrecht, wobei Schwangerschaftsabbrüche bis zu 22-24 Wochen mit minimalen Verfahrenshindernissen erlaubt sind. Dies macht das Land zu einem Ziel für grenzüberschreitende Abtreibungsversorgung. Schweden erlaubt Abtreibung auf Verlangen bis zu 18 Wochen ohne obligatorische Wartezeiten, während Dänemark, Finnland und Portugal variierende Schwangerschaftsgrenzen von 10-18 Wochen bieten.

Länder mit Verfahrenshindernissen

Deutschland präsentiert eine komplexe Situation, in der Abtreibung technisch kriminalisiert bleibt, aber innerhalb der ersten 12 Wochen nach obligatorischer Beratung und einer dreitägigen Wartezeit nicht strafbar ist. Der Zugang variiert erheblich nach Region, wobei südliche Bundesländer größere Herausforderungen darstellen. Wie eine deutsche Frauenrechtsanwältin bemerkte: 'Die regionalen Unterschiede beim Zugang schaffen eine Postleitzahlenlotterie für die Gesundheitsversorgung von Frauen.'

Irland, einst eine Hochburg katholischer Beschränkungen, legalisierte Abtreibung 2018 nach einem historischen Referendum. Viele Länder, einschließlich Österreich, Tschechien und mehrerer osteuropäischer Nationen, halten jedoch verschiedene Verfahrensanforderungen aufrecht, die den praktischen Zugang einschränken können.

Gewissensvorbehalte und Zugangshindernisse

Italien steht trotz legaler Abtreibung bis zu 12 Wochen vor erheblichen Zugangsschwierigkeiten, wobei 63-80% der Gynäkologen Eingriffe aus Gewissensgründen ablehnen. Kroatische Frauen sehen sich ähnlichen Hindernissen gegenüber, da viele öffentliche Krankenhäuser keine Ärzte haben, die bereit sind, Abtreibungen durchzuführen. Wie die italienische Bioethikerin Chiara Lalli betonte: 'Wir müssen aufhören, Abtreibung nur als moralisches Dilemma zu behandeln. Freiwilliger Schwangerschaftsabbruch ist in erster Linie ein medizinischer Service.'

Restriktivste Regime: Malta und Polen

Malta hält die strengsten Abtreibungsgesetze Europas aufrecht, wobei alle Schwangerschaftsabbrüche kriminalisiert werden, außer wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist. Das Land verschärfte seine Regeln 2023 trotz weit verbreiteter Proteste. Polen folgt dicht darauf, nachdem es Abtreibungsrechte im Januar 2021 einschränkte, indem es die Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruchs aufgrund fetaler Anomalien entfernte. Derzeit ist Abtreibung nur legal, wenn die Schwangerschaft das Leben der Frau bedroht oder das Ergebnis von Straftaten ist.

Europäische Bürgerinitiative: My Voice, My Choice

In einer historischen Entwicklung sammelte die My Voice, My Choice Europäische Bürgerinitiative bis September 2025 1.124.513 verifizierte Unterschriften und forderte EU-finanzielle Unterstützung für sicheren Abtreibungszugang. Dies markiert das erste Mal, dass reproduktive Rechte formal über dieses direkte demokratische Instrument behandelt werden. Wie Kampagnenorganisatoren erklärten: 'Mehr als 20 Millionen Frauen in der EU haben keinen Zugang zu sicherer Abtreibungsversorgung. Dies ist nicht nur eine Frauenfrage, sondern eine grundlegende Menschenrechtsfrage, die Millionen betrifft.'

Der Weg nach vorn

Das Europäische Parlament hat gefordert, Abtreibungsrechte in die EU-Grundrechtecharta aufzunehmen, obwohl dies einstimmige Zustimmung der Mitgliedstaaten erfordert. Die Europäische Kommission muss bis März 2026 auf die Bürgerinitiative reagieren. Während die Debatte andauert, bleibt Europa zwischen progressivem Verfassungsschutz und restriktiven Regimen gespalten, was breitere gesellschaftliche Werte und politische Ideologien auf dem Kontinent widerspiegelt.

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