NATO-Generalsekretär Mark Rutte lehnt Forderungen nach einer von den USA unabhängigen EU-Verteidigung ab und betont die Notwendigkeit der transatlantischen Zusammenarbeit. Er verweist auf das neue Ziel von 5% BIP für Verteidigungsausgaben und warnt vor der wachsenden Bedrohung durch Russland.
NATO-Chef weist Forderungen nach EU-Verteidigungsunabhängigkeit zurück
NATO-Generalsekretär Mark Rutte hat Vorschläge für eine europäische Verteidigungsunabhängigkeit von den Vereinigten Staaten entschieden abgelehnt und betont, dass die transatlantische Zusammenarbeit für die europäische Sicherheit unerlässlich bleibt. In einem kürzlichen Interview mit European Newsroom unterstrich Rutte, dass Europa zwar mehr Verantwortung für seine Verteidigung übernehmen müsse, dies jedoch neben den USA geschehen sollte und nicht durch vollständige Autonomie.
Die Debatte über das transatlantische Bündnis
Die Diskussion findet vor dem Hintergrund zunehmender Forderungen einiger europäischer Politiker nach mehr strategischer Autonomie statt. Manfred Weber, Vorsitzender der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) und der größten Fraktion im Europäischen Parlament, hat sich für ein sogenanntes 'europäisches NATO' ausgesprochen – eine Verteidigungsstruktur unter EU-Kommando, die unabhängig vom US-geführten Bündnis operieren könnte.
Rutte, der 14 Jahre als niederländischer Ministerpräsident diente, bevor er im Oktober 2024 NATO-Generalsekretär wurde, erkannte Webers Standpunkt an, bot jedoch eine andere Perspektive. 'Vergessen wir nicht, dass es bei Europa und der NATO mehr gibt als die EU,' sagte Rutte und wies darauf hin, dass die 23 EU-Länder innerhalb der NATO nur etwa ein Viertel der gesamten Wirtschaftsleistung des Bündnisses ausmachen.
Die 5%-Verteidigungsausgaben-Verpflichtung
Rutte hob die historische Vereinbarung hervor, die während des NATO-Gipfels im Juni 2025 in Den Haag erzielt wurde, bei der sich alle Verbündeten verpflichteten, die Verteidigungsausgaben bis 2035 auf 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu erhöhen. Dies stellt einen erheblichen Anstieg gegenüber dem vorherigen Ziel von 2% dar, das viele NATO-Mitglieder nur schwer erreichen konnten.
'Ich denke, es ist immer noch einer der größten außenpolitischen Erfolge von Präsident Trump, die 5 Prozent, die klare Zusage, mehr zu produzieren,' sagte Rutte und bezog sich dabei auf den Druck der US-Regierung auf europäische Verbündete, mehr zur kollektiven Verteidigung beizutragen.
Das neue Ausgabenziel, detailliert in der Erklärung des Gipfels von Den Haag, erfordert mindestens 3,5% des BIP für Kernverteidigungsanforderungen und NATO-Kapazitätsziele, wobei die verbleibenden 1,5% für den Schutz kritischer Infrastruktur, Netzwerkverteidigung und die Stärkung der Verteidigungsindustriebasis vorgesehen sind.
Strategische Realitäten und russische Bedrohungen
Ruttes Standpunkt spiegelt wachsende Besorgnis über die europäische Sicherheit angesichts anhaltender russischer Aggression wider. In einer separaten Rede in Berlin Anfang Dezember 2025 warnte Rutte, dass Russland unter Präsident Wladimir Putin 'brutaler, rücksichtsloser und gnadenloser' geworden sei, mit alarmierenden Statistiken, die zeigen, dass Russland allein im Jahr 2025 über 46.000 Drohnen und Raketen gegen die Ukraine abgefeuert hat.
Nachrichtendienstliche Einschätzungen deuten darauf hin, dass Russland bereits 2027 eine ernsthafte Bedrohung für NATO-Territorium darstellen könnte, was die transatlantische Einheit wichtiger denn je macht. Rutte betonte, dass 'die Fähigkeit der Ukraine, Russland zu widerstehen, entscheidend ist, um eine mögliche russische Invasion von NATO-Gebiet zu verhindern, die einen Dritten Weltkrieg auslösen könnte.'
Wirtschaftliche und strategische Überlegungen
Der NATO-Chef wies auf praktische Grenzen einer reinen EU-Verteidigungszusammenarbeit hin. 'Fünfundsiebzig Prozent befinden sich immer noch außerhalb der EU,' bemerkte er und bezog sich dabei auf NATO-Mitglieder wie das Vereinigte Königreich, Norwegen, Kanada und die USA. Diese wirtschaftliche Realität mache eine vollständige EU-Verteidigungsunabhängigkeit unpraktisch, so Rutte.
Er betonte auch strategische Gebiete wie die Arktis und den Nordatlantik, die eine gemeinsame amerikanisch-europäische Verteidigungszusammenarbeit erfordern – Gebiete, in denen rein EU-Fähigkeiten gegen potenzielle Bedrohungen unzureichend wären.
Europäische Verantwortung innerhalb der NATO
Obwohl er Forderungen nach Unabhängigkeit ablehnte, befürwortete Rutte stark erhöhte europäische Verteidigungsanstrengungen innerhalb des NATO-Rahmens. 'Die Vereinigten Staaten erwarten, dass Europa mehr Verantwortung übernimmt und mehr Geld für Verteidigung ausgibt,' sagte er gegenüber der dpa und fügte hinzu: 'Ich bin absolut überzeugt, dass die USA voll in die NATO investiert sind. Daran besteht kein Zweifel.'
Rutte lobte das deutsche Engagement, die Verteidigungsausgaben bis 2029 auf 3,5% des BIP zu erhöhen, als Beispiel dafür, wie europäische Verbündete ihre Beiträge erhöhen. Er betonte, dass das Ziel sein sollte, 'dies neben den USA zu tun', anstatt separat.
Die Zukunft der transatlantischen Verteidigung
Die Debatte findet zu einem kritischen Zeitpunkt für die europäische Sicherheit statt. Während der Krieg in der Ukraine andauert und Russland keine Anzeichen eines Rückzugs zeigt, stehen europäische Führer vor schwierigen Entscheidungen über Verteidigungsprioritäten und Ressourcenallokation.
Ruttes Standpunkt repräsentiert die Mainstream-NATO-Position, dass europäische Verteidigungsfähigkeiten zwar gestärkt werden müssen, dies jedoch innerhalb des etablierten transatlantischen Rahmens geschehen sollte und nicht über separate Strukturen. Wie er es ausdrückte: 'Die europäische Sicherheit ist am stärksten, wenn eng mit amerikanischen Verbündeten zusammengearbeitet wird.'
Die Diskussion wird voraussichtlich weitergehen, während europäische Länder daran arbeiten, das ehrgeizige Ziel von 5% Verteidigungsausgaben umzusetzen und gleichzeitig Forderungen nach mehr strategischer Autonomie gegen die praktischen Realitäten globaler Sicherheitsherausforderungen abwägen.
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