Einzigartiger 3D-Atlas zeigt jedes bewohnbare Gebäude weltweit
Forscher der Technischen Universität München haben erreicht, was viele für unmöglich hielten: die Erstellung der ersten vollständigen 3D-Karte jedes Gebäudes auf der Erde. Der GlobalBuildingAtlas, der im Dezember 2025 veröffentlicht wurde, enthält detaillierte Modelle von etwa 2,75 Milliarden Strukturen, was schätzungsweise 97 % aller bewohnbaren Gebäude weltweit entspricht. Dieses bahnbrechende Projekt bietet beispiellose Einblicke in globale Urbanisierungsmuster und liefert ein leistungsstarkes neues Instrument für Stadtplanung, Klimaforschung und die Analyse sozialer Ungleichheit.
Technischer Durchbruch mit praktischen Anwendungen
Der Atlas wurde aus Satellitenbildern von 2019 zusammengestellt, die mit fortschrittlichen Machine-Learning-Algorithmen verarbeitet wurden, die auf LiDAR-Daten von 168 Städten weltweit trainiert wurden. Mit einer Auflösung von 3×3 Metern bietet die Karte 30-mal mehr Details als frühere Gebäudedatenbanken. '3D-Gebäudeinformationen geben ein viel genaueres Bild von Urbanisierung und Armut als traditionelle 2D-Karten,' erklärt Forschungsleiterin Xiaoxiang Zhu von der Technischen Universität München. 'Mit 3D-Modellen sehen wir nicht nur den Fußabdruck, sondern auch das Volumen jedes Gebäudes, was viel genauere Einblicke in Lebensbedingungen ermöglicht.'
Was diesen Datensatz besonders wertvoll macht, ist die umfassende Abdeckung von bisher unterrepräsentierten Regionen. Im Gegensatz zu früheren Kartierungsbemühungen, die sich hauptsächlich auf entwickelte Länder konzentrierten, umfasst der GlobalBuildingAtlas detaillierte Informationen aus Afrika, Südamerika und Südostasien – Gebiete, die in globalen Stadtstudien oft übersehen werden. Das Open-Access-Format des Projekts bedeutet, dass Forscher, Planer und politische Entscheidungsträger weltweit jetzt kostenlosen Zugang zu dieser Informationsschatzkiste haben.
Gebäudevolumen pro Kopf: Ein neuer sozialer Maßstab
Einer der innovativsten Aspekte des GlobalBuildingAtlas ist die Einführung von 'Gebäudevolumen pro Kopf' als neuer globaler Indikator. Dieser Maßstab berechnet die gesamte Gebäudemasse in einem Gebiet im Verhältnis zur Bevölkerung, was klare soziale und wirtschaftliche Unterschiede aufdeckt, die traditionelle Messungen oft verpassen. 'Dieser Indikator unterstützt nachhaltige Stadtentwicklung und hilft Städten, inklusiver und widerstandsfähiger zu werden,' fügt Zhu hinzu. Die Daten zeigen, dass während Asien fast die Hälfte aller kartierten Gebäude repräsentiert (1,22 Milliarden Strukturen), die 540 Millionen Gebäude in Afrika deutlich weniger Gesamtvolumen darstellen, was auf eine Dominanz kleinerer, niedriger Strukturen hindeutet.
Die Implikationen dieses Maßstabs sind tiefgreifend für das Verständnis von Ungleichheit. In dichten städtischen Zentren mit Hochhäusern haben Bewohner möglicherweise weniger physischen Raum pro Person, obwohl sie in beeindruckenden Strukturen leben, während ausgedehnte Vorstadtgebiete mehr Volumen pro Kopf bieten können. Dieses nuancierte Verständnis von Lebensbedingungen könnte eine Revolution darin bedeuten, wie wir Wohnungspolitik, Stadtgestaltung und soziale Wohlfahrtsprogramme angehen.
Praktische Anwendungen in verschiedenen Fachgebieten
Der GlobalBuildingAtlas hat direkte Anwendungen in verschiedenen kritischen Bereichen:
Klimawandel und Energieplanung
Gebäude sind für fast 40 % der globalen CO₂-Emissionen verantwortlich, was genaue 3D-Modelle für Klimamodellierung und Energiebedarfsprognosen unerlässlich macht. Die detaillierten Volumendaten ermöglichen es Forschern, Heiz- und Kühlbedarf genauer zu berechnen, Energieeffizienzpotenziale zu identifizieren und städtische Wärmeinseleffekte mit beispielloser Genauigkeit zu modellieren.
Risikobewertung für Katastrophen
Notfallplaner können die 3D-Modelle nutzen, um Überschwemmungsszenarien, Erdbebenauswirkungen und Brandausbreitungsmuster zu simulieren. Die Gebäudevolumendaten helfen, potenzielle Schäden abzuschätzen und Evakuierungsrouten effektiver zu planen, was möglicherweise Leben bei Naturkatastrophen retten kann.
Städtische Infrastrukturentwicklung
Stadtplaner haben jetzt Zugang zu detaillierten Informationen über Gebäudedichte, Höhenverteilung und räumliche Organisation. Dies ermöglicht effizientere Verkehrsplanung, Versorgungsnetzwerkdesign und öffentliche Raumnutzung. Die Daten unterstützen auch das UN-Nachhaltigkeitsziel 11, das Städte inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig machen will.
Technische Spezifikationen und Einschränkungen
Der Atlas klassifiziert 97 % seiner 3D-Strukturen als Level of Detail 1 (LoD 1), was bedeutet, dass sie die grobe Form und Höhe von Gebäuden genau wiedergeben. Obwohl höhere LoD-Klassifikationen für detailliertere architektonische Merkmale existieren, bietet LoD 1 ausreichende Genauigkeit für die meisten Modellierungsanwendungen. Der Datensatz hat einige Einschränkungen – insbesondere bei der genauen Erfassung sehr hoher Wolkenkratzer und komplexer architektonischer Formen – stellt aber einen enormen Sprung nach vorn im Vergleich zu früheren globalen Gebäudedatenbanken dar.
Das Forschungsteam verwendete eine Kombination aus Sentinel-2-Satellitenbildern, Machine-Learning-Algorithmen und Validierungsdaten aus mehreren Quellen, um den Atlas zu erstellen. Ihre Methodik, detailliert in der Zeitschrift Earth System Science Data, stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Fernerkundung und georäumlichen Analyse dar.
Zukünftige Entwicklungen und globale Auswirkungen
Obwohl der aktuelle Atlas Daten von 2019 verwendet, bedeutet seine Open-Source-Natur, dass er kontinuierlich aktualisiert werden kann, sobald neue Satellitenbilder verfügbar sind. Das Team der Technischen Universität München plant, aktuellere Daten einzubinden und die Genauigkeit des Modells für komplexe Gebäudetypen zu verbessern. 'Mit 3D-Modellen sehen wir nicht nur den Fußabdruck, sondern auch das Volumen jedes Gebäudes, was viel genauere Einblicke in Lebensbedingungen ermöglicht,' betont Zhu erneut und hebt das fortlaufende Potenzial des Projekts hervor.
Der GlobalBuildingAtlas repräsentiert mehr als nur eine technische Leistung – er ist ein Instrument zur Schaffung gerechterer, nachhaltigerer und widerstandsfähigerer Städte weltweit. Während die Urbanisierung weiter beschleunigt, mit mehr als zwei Dritteln der Weltbevölkerung, die voraussichtlich bis 2050 in Städten leben wird, bietet diese umfassende 3D-Kartierungsquelle die detaillierten Informationen, die nötig sind, um dieses Wachstum verantwortungsvoll zu lenken.
Für Forscher eröffnet der Datensatz neue Möglichkeiten, alles von wirtschaftlichen Entwicklungsmustern bis hin zu Umweltauswirkungen zu studieren. Für politische Entscheidungsträger bietet er evidenzbasierte Einblicke für die Erstellung effektiverer Stadtpolitik. Und für die breite Öffentlichkeit bietet er ein faszinierendes Fenster in die gebaute Umwelt, die uns alle umgibt.