Historische Regierungsbildung in Tschechien
Genau einen Monat nach den Parlamentswahlen hat der tschechische Politiker Andrej Babis ein Koalitionsabkommen vorgestellt, das eine bedeutende politische Verschiebung in Mitteleuropa markiert. Der populistische Milliardär, dessen ANO-Partei als Wahlsieger hervorging, hat eine Regierungsallianz mit zwei rechtsextremen Parteien gebildet - Freiheit und direkte Demokratie (SPD) und Autofahrer für sich selbst (AUTO).
Wichtige Politikänderungen und Kompromisse
Das Koalitionsabkommen verspricht, das Rentenalter einzufrieren, die Gehälter für Lehrer und Polizisten zu erhöhen und Asylbewerber nur noch 'in Ausnahmefällen' zuzulassen. Auffällig abwesend in dem veröffentlichten Dokument sind Details über die geplante Reduzierung der Unterstützung für die Ukraine, was ein wichtiges Wahlkampfthema für die Koalitionspartner war.
Dies ist das erste Mal, dass sowohl die SPD unter der Führung von Tomio Okamura als auch die Autofahrerpartei Teil der Regierung sein werden. Beide Parteien werden in der tschechischen Politik als rechtsextrem eingestuft, obwohl sie einige ihrer radikalsten Positionen während der Koalitionsverhandlungen abgeschwächt haben.
'Wir mussten Kompromisse eingehen, aber diese Regierung wird echte Veränderungen für gewöhnliche tschechische Bürger bringen,' erklärte Babis während der Ankündigungszeremonie.
Umstrittene Ministerernennungen
Die vorgeschlagene Kabinettsbildung hat erhebliche Kontroversen ausgelöst, insbesondere was die Kandidaten der Autofahrerpartei betrifft. Petr Macinka, vorgeschlagen als Umweltminister, hat öffentlich den menschlichen Einfluss auf den Klimawandel geleugnet und versprochen, 'grünes Blut fließen zu lassen' in seinem Ministerium.
Noch umstrittener ist die Nominierung von Filip Turek als Außenminister. Turek, ein ehemaliger Rennfahrer, steht wegen früherer Social-Media-Beiträge mit rassistischen, antisemitischen und homophoben Inhalten in der Kritik. Archivierte Facebook-Beiträge zeigen Aussagen wie 'der letzte stolze Deutsche starb 1945' und beleidigende Bemerkungen über Barack Obama und Roma.
'Einige dieser Beiträge bedaure ich, aber andere habe ich nicht selbst geschrieben,' behauptete Turek als Reaktion auf die Enthüllungen.
Verfassungsrechtliche Hürden und Präsidentenprüfung
Die Koalition steht vor möglichen Hindernissen durch Präsident Petr Pavel, einen politischen Gegner von Babis. Der Präsident hat verfassungsrechtliche Befugnisse, Ministerernennungen abzulehnen, und hat angegeben, dass er keine Kandidaten genehmigen wird, die verfassungsrechtliche Prinzipien verletzen.
'Der Präsident wird keine Minister genehmigen, die gegen unsere verfassungsrechtliche Ordnung verstoßen,' erklärte ein Präsidentenberater, was darauf hindeutet, dass Tureks Nominierung erheblichen Herausforderungen gegenübersteht.
Politische Kontext und wirtschaftliche Situation
Die Koalitionsverhandlungen verliefen relativ schnell dank günstiger wirtschaftlicher Bedingungen. Unter der vorherigen Regierung wurde die Staatsverschuldung erheblich reduziert und die Inflation eingedämmt, während das Wirtschaftswachstum zu den höchsten in Europa gehört. Dies bietet der neuen Regierung erheblichen Haushaltsspielraum, um ihre Agenda umzusetzen, ohne sofortige Sparmaßnahmen ergreifen zu müssen.
Allerdings steht die Koalition einer starken Opposition im Senat gegenüber, wo Babis' Partei nur ein Drittel der benötigten Mehrheit hat. Die SPD und die Autofahrer haben keine Senatsvertretung, was der Opposition erhebliche Macht gibt, umstrittene Gesetzgebung zu blockieren oder zu ändern.
Politikanalystin Jana Cernochova bemerkte: 'Diese Koalition stellt eine dramatische Verschiebung in der tschechischen Politik dar. Obwohl sie eine parlamentarische Mehrheit haben, wird ihre Fähigkeit, effektiv zu regieren, davon abhängen, interne Spannungen zu kontrollieren und verfassungsrechtliche Kontrollen zu navigieren.'
Der Regierungsbildungsprozess wird voraussichtlich noch mehrere Wochen dauern, während Babis sich darauf vorbereitet, seine Ministerkandidaten formell bei Präsident Pavel einzureichen. Das Ergebnis wird bestimmen, ob Tschechien seine am weitesten rechts stehende Regierung seit dem Fall des Kommunismus erhält.