Europäische digitale Grenzrevolution beginnt
Das lang erwartete Ein-/Ausreisesystem (EES) der Europäischen Union wurde am 12. Oktober 2025 offiziell gestartet, was einen grundlegenden Wandel in der Grenzsicherheitsverwaltung auf dem Kontinent bedeutet. Nach fast einem Jahrzehnt der Planung und mehreren Verzögerungen ersetzt das System traditionelle Passstempel durch automatisierte biometrische Registrierung für Nicht-EU-Bürger, die für kurze Aufenthalte reisen.
Was Reisende wissen müssen
Nicht-europäische Reisende, die in allen EU-Ländern außer Zypern und Irland ankommen, müssen jetzt ihren Pass, Fingerabdrücke und Gesichtsfotos an Grenzübergängen vorlegen. Dies umfasst Ankünfte in Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz. Die gesammelten Informationen werden in den meisten Fällen drei Jahre lang gespeichert, wodurch eine digitale Aufzeichnung entsteht, die Behörden nutzen können, um Überschreitungen der Aufenthaltsdauer zu verfolgen und Sicherheitsrisiken zu identifizieren.
'Es wird den Grenzbeamten helfen zu überprüfen, dass die Person, die den Pass hält, tatsächlich die ist, für die sie sich ausgibt, und dass ihr Pass echt und nicht gefälscht ist,' sagte Assita Kanko, eine Europaabgeordnete der Europäischen Konservativen und Reformer, die als Berichterstatterin für das EES diente.
Gestaffelte Einführung in Europa
Das neue System wird schrittweise über einen Zeitraum von sechs Monaten bis zum 10. April 2026 eingeführt. Große europäische Länder wie Frankreich und Deutschland verfolgen einen vorsichtigen Ansatz, wobei zunächst nur eine Handvoll Kontrollen implementiert werden, um lange Warteschlangen an Flughäfen und Grenzübergängen zu vermeiden. Kleinere Länder wie Estland und Luxemburg haben sich dagegen für eine vollständige Implementierung ab dem ersten Tag entschieden.
Kroatien hat einen besonders abgestuften Ansatz gewählt, bei dem biometrische Daten im Oktober nur vier Stunden pro Tag gesammelt werden, sich im November auf acht Stunden ausweiten und im Dezember zwölf Stunden erreichen. Slowenien führt das EES schrittweise an wichtigen Grenzpunkten ein, darunter internationale Flughäfen in Ljubljana-Brnik, Maribor-Slivnica und Portorož sowie Seegrenzübergänge in Koper und Piran.
Mögliche Verzögerungen und Infrastrukturherausforderungen
Es gibt weit verbreitete Bedenken, dass die neuen Datenerfassungsanforderungen zu erheblichen Verzögerungen an Flughäfen, Bahnhöfen und Fährterminals führen könnten. Die Behörden haben die Einführung jedoch in einer traditionell schwachen Reisesaison geplant, um Störungen zu minimieren.
'Wie immer, wenn wichtige neue IT-Systeme eingeführt werden, kann es einige Anlaufschwierigkeiten geben. Aber deshalb startet das System in einer schwachen Saison für internationales Reisen. Darüber hinaus wurde die gestaffelte Einführung genau vereinbart, um größere Probleme zu vermeiden,' erklärte Kanko.
Das französische Innenministerium äußerte sich optimistisch über die anfängliche Implementierung und gab an, zu erwarten, dass 'die Situation normal sein wird, ohne Stauprobleme' am Starttag. Sie räumten jedoch ein, dass die vollständige Implementierung eine 'große Herausforderung' für Frankreich bleibt, das 2024 100 Millionen ausländische Besucher begrüßte.
Britische Reisende am stärksten betroffen
Britische Reisende werden voraussichtlich erheblich betroffen sein, angesichts der starken Transportverbindungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU. Der Kanaltunnelbetreiber Getlink hat stark in Vorbereitungen investiert und 80 Millionen Euro für neue Systeme ausgegeben, die sowohl im Vereinigten Königreich als auch in Frankreich installiert wurden.
'Alles ist bereit, alles ist vorbereitet und alles wurde bereits mit Hunderten von Kunden getestet,' sagte Yann Leriche, CEO von Getlink, in einem Interview mit Reuters.
Sicherheitsvorteile und zukünftige Entwicklungen
Das EES stellt einen großen Schritt nach vorn in der europäischen Grenzsicherung dar, da es hilft, irreguläre Migration zu verhindern und den Schutz für alle, die in Europa leben oder reisen, zu verbessern. Laut dem Europäischen Rat wird das System den Behörden ermöglichen, Visummissbrauch zu identifizieren und zu verfolgen, ob Personen, denen Asyl verweigert wurde, den Schengen-Raum verlassen haben.
Die vollständige Implementierung des EES ist eine Voraussetzung für die Einführung des European Travel Information and Authorisation System (ETIAS), das voraussichtlich Ende 2026 eingeführt wird. ETIAS wird ähnlich funktionieren wie das amerikanische ESTA-System, wobei Drittstaatsangehörige vor ihrer Reise in die EU ein Online-Formular ausfüllen und 20 Euro bezahlen müssen.
Während die europäischen Grenzen in dieses neue digitale Zeitalter eintreten, wird Reisenden empfohlen, zusätzliche Zeit für die Grenzabfertigung einzuplanen und sich mit den neuen Anforderungen vertraut zu machen, um reibungslose Reisen durch den Kontinent zu gewährleisten.