China nutzt 40 Millionen E-Autos als nationale Stromversorgung

China nutzt seine 40 Millionen Elektroautos als nationalen Energiespeicher mittels Vehicle-to-Grid-Technologie. Dabei liefern E-Autos Strom an Städte während Spitzenlastzeiten, und Besitzer verdienen Geld durch den Verkauf von gespeichertem Strom zurück ins Netz.

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Chinas E-Auto-Flotte wird zum nationalen Energiespeicher

Während Europa noch über Ladeinfrastruktur und Netzausbau diskutiert, geht China den nächsten Schritt in der Energiewende, indem es seine riesige Elektrofahrzeugflotte in ein nationales Energiespeichersystem verwandelt. Mit mehr als 40 Millionen Elektrofahrzeugen auf der Straße – dem größten E-Auto-Markt der Welt – nutzt China diese "Batterien auf Rädern" nun, um Stromnetze zu stabilisieren und Notstrom für ganze Städte bereitzustellen.

Die Vehicle-to-Grid-Revolution

Die Technologie, die diese Transformation ermöglicht, heißt Vehicle-to-Grid (V2G). Sie erlaubt es Elektroautos, nicht nur Strom aus dem Netz zu beziehen, sondern auch Elektrizität während Spitzenlastzeiten zurückzuspeisen. 'Es geht nicht mehr nur um Transport – es geht darum, ein verteiltes Energienetzwerk zu schaffen, das dynamisch auf Netzbedürfnisse reagieren kann,' erklärt Dr. Li Wei, Energiesystemforscher an der Tsinghua-Universität.

China hat das weltweit erste nationale V2G-Pilotprogramm in neun Großstädten, darunter Shanghai, Guangzhou und Shenzhen, gestartet. Das Konzept ist elegant einfach: Tagsüber, wenn Solarstrom reichlich und günstig ist, laden Millionen von E-Autos ihre Batterien auf. Abends, wenn der Energiebedarf seinen Höhepunkt erreicht, während die Menschen nach Hause kommen und kochen, speisen dieselben Fahrzeuge Strom zurück ins Netz und verwandeln geparkte Autos effektiv in virtuelle Kraftwerke.

Finanzielle Anreize treiben die Einführung voran

Für chinesische E-Auto-Besitzer ist dies nicht nur Umweltbewusstsein – es ist eine lukrative Geschäftsmöglichkeit. In den Pilotprogrammen können Teilnehmer bis zu 170 Euro pro Ladezyklus verdienen, indem sie strategisch den Zeitpunkt des Stromverkaufs zurück ins Netz timen. 'Mein Auto verdient tatsächlich Geld, während ich arbeite,' sagt der Shanghaier Einwohner Xia Yu, ein Nio-Besitzer, der etwa 70 Euro pro Monat durch die V2G-Teilnahme seines Fahrzeugs verdient. 'Es ist, als hätte man eine Investition, die jedes Mal Dividende ausschüttet, wenn ich parke.'

Das Finanzmodell ist überzeugend: Besitzer laden ihre Fahrzeuge nachts auf, wenn die Stromtarife niedrig sind, und verkaufen diese gespeicherte Energie dann während der Spitzenzeiten am Tag zurück, wenn die Preise hoch sind. Laut einer Carbon Brief-Analyse schafft dies einen starken wirtschaftlichen Anreiz, der die E-Auto-Einführung beschleunigen kann, während gleichzeitig Netzstabilitätsprobleme gelöst werden.

Ehrgeizige nationale Ziele

Chinas Ambitionen gehen weit über Pilotprogramme hinaus. Die Regierung strebt bis 2030 eine Speicherkapazität von 1 Milliarde Kilowatt ausschließlich durch V2G-Technologie an. Um dies ins Verhältnis zu setzen: Das entspricht etwa 100 großen Kernkraftwerken an flexibler Speicherkapazität, die über das Land verteilt sind.

Die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission hat 30 Pilotprojekte in neun Städten gestartet, mit Plänen, bis 2027 5.000 betriebsfähige V2G-Stationen landesweit zu errichten. 'Wir bauen nicht nur Ladeinfrastruktur – wir bauen ein neues Energie-Ökosystem,' erklärt Zhang Yong, Direktor von Chinas E-Auto-Infrastrukturbüro.

Technische Innovationen und Lösungen

Chinesische Hersteller haben innovative Lösungen für häufige V2G-Herausforderungen entwickelt. Unternehmen wie Nio haben Batteriewechselstationen und Battery-as-a-Service-Modelle eingeführt, die Bedenken hinsichtlich Batterieverschleiß durch häufige Lade- und Entladezyklen ausräumen. 'Wenn Ihre Batterie abgenutzt ist, tauschen Sie sie einfach gegen eine neue an einer unserer Stationen aus,' erklärt Nio-CEO William Li. 'Das beseitigt die größte psychologische Barriere für Verbraucher.'

Obwohl bidirektionale Ladegeräte teuer bleiben – fast dreimal so teuer wie herkömmliche Ladegeräte – drücken Chinas enorme Skaleneffekte und staatliche Subventionen die Kosten schnell nach unten. Laut dem International Energy Agency-Bericht 2025 sanken die Batteriepreise in China 2024 um fast 30 %, der größte Rückgang weltweit.

Notstrom und Netzresilienz

Neben der täglichen Netzstabilisierung positioniert China seine E-Auto-Flotte als strategische Notstromreserve. Eine typische 60-kWh-E-Auto-Batterie kann theoretisch einen durchschnittlichen Haushalt mehrere Tage lang mit Strom versorgen, bei Stromausfällen oder extremen Wetterereignissen. 'Während der Hitzewelle letzten Sommer nutzten wir angeschlossene E-Autos, um rollierende Stromausfälle in drei Großstädten zu verhindern,' gibt der Netzbetreiber Chen Ming preis. 'Diese Technologie verwandelt den persönlichen Transport in öffentliche Infrastruktur.'

Dieser Ansatz adressiert eine der größten Herausforderungen erneuerbarer Energien: ihre Volatilität. Indem E-Autos als verteilte Speicher genutzt werden, kann China seine riesigen Wind- und Solaranlagen besser integrieren, die laut aktuellen Daten inzwischen die Kohlekraftkapazität übertreffen.

Europäischer Vergleich und globale Implikationen

Während China mit der V2G-Implementierung in industriellem Maßstab voranstürmt, bleibt Europa in der Pilotphase. Städte wie Utrecht in den Niederlanden haben Europas erstes groß angelegtes V2G-System namens 'Utrecht Energized' mit 50 Renault-Fahrzeugen gestartet, doch regulatorische Zersplitterung und unterschiedliche Netzentgelte zwischen den Ländern stellen erhebliche Hindernisse dar.

'Der grundlegende Unterschied ist die Koordination,' bemerkt die europäische Energieanalystin Maria Schmidt. 'China hat zentralisierte Planung und einheitliche Standards, während Europa 27 verschiedene regulatorische Regime hat. Das gibt China einen enormen Implementierungsvorteil.' Laut Berichten der Europäischen Kommission sind harmonisierte Regulierung und überarbeitete Netzentgeltstrukturen für eine weit verbreitete V2G-Einführung in Europa unerlässlich.

Die Zukunft der Energiespeicherung

Während China seine V2G-Infrastruktur weiter ausbaut, reichen die Implikationen über Landesgrenzen hinaus. Die Technologie demonstriert, wie Transportsysteme und Energiesysteme zusammenwachsen können, um widerstandsfähigere, effizientere Netze zu schaffen. Da die globalen E-Auto-Verkäufe voraussichtlich bis 2030 einen Marktanteil von 34 % erreichen werden, repräsentiert V2G das, was viele Experten glauben, zur Standardfunktionalität in zukünftigen Elektrofahrzeugen weltweit werden wird.

'Was wir heute in China geschehen sehen, wird wahrscheinlich morgen die globale Norm sein,' prognostiziert die Energie-Zukunftsforscherin Dr. Elena Rodriguez. 'Das Auto entwickelt sich von einem Transportmittel zu einem mobilen Energie-Asset. Das verändert alles daran, wie wir sowohl über Mobilität als auch über Elektrizität denken.'

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