Italienischer Kassationshof blockiert Auslieferung des ukrainischen Verdächtigen Serhii K. an Deutschland wegen Nord-Stream-Sabotage aufgrund falscher Festnahme. Fall geht an niedrigeres Gericht zurück.

Juristischer Rückschlag in Nord-Stream-Ermittlungen
In einer bedeutenden juristischen Entwicklung hat der italienische Kassationshof die Auslieferung des ukrainischen Verdächtigen Serhii K. an Deutschland blockiert. Das Urteil vom 15. Oktober stellt einen schweren Rückschlag für deutsche Staatsanwälte dar, die den 49-jährigen Mann wegen seiner mutmaßlichen Rolle bei der Sabotage der Nord-Stream-Pipelines im Jahr 2022 vor Gericht stellen wollten.
Gericht weist Auslieferung aus Verfahrensgründen ab
Der Kassationshof in Rom entschied, dass Serhii K. auf falscher Rechtsgrundlage festgenommen worden war und verwies den Fall an ein neues Gericht in Bologna. 'Das Gericht hat anerkannt, dass mein Mandant auf falscher rechtlicher Grundlage festgehalten wurde,' erklärte Verteidiger Alessandro Gamberini, der seit der Festnahme im August gegen die Auslieferung kämpft. 'Diese Entscheidung bestätigt unsere Position, dass Grundrechte nicht im Namen internationaler justizieller Zusammenarbeit geopfert werden dürfen.'
Serhii K. wurde am 21. August festgenommen, während er mit seiner Familie im italienischen Rimini Urlaub machte, basierend auf einem europäischen Haftbefehl deutscher Behörden. Deutsche Staatsanwälte behaupten, er habe als Koordinator für eine hochentwickelte Sabotageoperation fungiert, bei der ein gechartertes Segelboot verwendet wurde, um Sprengstoff bei der dänischen Insel Bornholm im September 2022 zu platzieren.
Komplexe internationale Ermittlungen
Die Nord-Stream-Explosionen bleiben einer der politisch sensibelsten ungelösten Fälle Europas. Am 26. September 2022 verursachten Unterwasserexplosionen massive Gaslecks und machten drei der vier Nord-Stream-Pipelines unbrauchbar. Der Vorfall ereignete sich in internationalen Gewässern innerhalb der Wirtschaftszonen Dänemarks und Schwedens, einen Tag bevor Polen und Norwegen die Baltic Pipe eröffneten - eine alternative Gasroute aus der Nordsee.
Deutsche Ermittler haben insgesamt sieben ukrainische Verdächtige identifiziert, darunter ehemalige Mitglieder einer privaten Tauchschule in Kiew. Laut deutschen Medienberichten bestand das Sabotageteam vermutlich aus mehreren Tauchern, einem Sprengstoffexperten, einem Koordinator und einem Schiffskapitän. Ein Verdächtiger, Vsevelod K., ist inzwischen an der Front in der Ukraine gefallen.
Diplomatische Implikationen und laufende Verfahren
Der juristische Kampf um die Auslieferung von Serhii K. findet vor dem Hintergrund wachsender diplomatischer Spannungen rund um die Nord-Stream-Ermittlungen statt. Im September nahmen polnische Behörden einen weiteren ukrainischen Verdächtigen, Volodymyr Z., fest, der als mutmaßlicher Drahtzieher der Operation gilt. Der polnische Premierminister Donald Tusk hat öffentlich erklärt, dass die Auslieferung ukrainischer Verdächtiger 'gegen die Interessen Polens verstößt,' was die komplexen politischen Dimensionen des Falls unterstreicht.
Während Dänemark und Schweden ihre Ermittlungen im Februar 2024 abschlossen, ohne Täter zu identifizieren, bleibt Deutschland das einzige Land, das den Fall aktiv verfolgt. Die Nord-Stream-Pipelines waren umstrittene Symbole der europäischen Energieabhängigkeit von Russland, wobei die USA die Projekte historisch stets aufgrund von Bedenken bezüglich des russischen Einflusses bekämpft hatten.
Die Sabotage ereignete sich während der großangelegten russischen Invasion in der Ukraine und zerstörte effektiv die deutsche Politik, Russland über Energiehandel an Europa zu binden. Wie auf der Wikipedia-Seite zum Vorfall vermerkt, waren die Pipelines mit Erdgas gefüllt, transportierten es aber zum Zeitpunkt der Explosionen aufgrund des anhaltenden Konflikts nicht.
Fortsetzung der Ermittlungen
Nachdem die Auslieferung blockiert wurde, müssen deutsche Staatsanwälte auf den weiteren Verlauf des italienischen Gerichtsverfahrens warten. Der Fall wird erneut vom Berufungsgericht in Bologna behandelt, obwohl noch kein Zeitplan für die Wiederaufnahme des Verfahrens festgelegt wurde. Verteidiger Gamberini deutete an, dass er möglicherweise die Freilassung seines Mandanten beantragen wird, mit der Begründung, dass die rechtliche Grundlage für die Inhaftierung von Serhii K. durch die Entscheidung des Kassationshofs untergraben wurde.
Die anhaltenden juristischen Kämpfe unterstreichen die Herausforderungen internationaler Zusammenarbeit in hochrangigen Sabotagefällen mit erheblichen geopolitischen Implikationen. Wie ein europäischer Rechtsexperte bemerkte: 'Dieser Fall zeigt, wie nationale Interessen und internationale Gerechtigkeit manchmal kollidieren können, besonders bei Vorfällen, die während aktiver militärischer Konflikte stattfinden.'